Äthiopien: Korrespondenten der Deutschen Welle dauerhaft suspendiert

Männer lesen Zeitung
Menschenrechtler betonen die Bedeutung unabhängiger Berichterstattung angesichts von Konflikten und geplanten Wahlen in Äthiopien. (Quelle: IMAGO / photothek)

Die äthiopische Medienaufsicht hat zwei lokale Korrespondenten der Deutschen Welle dauerhaft suspendiert. Der Sender prüft nun rechtliche Schritte dagegen.

Bereits Ende Oktober hatte die Medienaufsichtsbehörde Ethiopian Media Authority alle neun lokalen Korrespondenten des Senders vorübergehend suspendiert – sie mussten deswegen jegliche journalistische Arbeit einstellen. Wie die Deutsche Welle am Freitag mitteilte, durften sieben der betroffenen Medienschaffenden ihre Arbeit in der vergangenen Woche wieder aufnehmen. Zwei Journalisten wurden allerdings dauerhaft suspendiert.

Nach Angaben der Deutschen Welle haben die beiden Journalisten aus den Krisenregionen Tigray und Amhara berichtet. In Tigray war im Jahr 2020 ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Im Jahr 2023 wurde dort zwar ein Waffenstillstand vereinbart, doch in diesem Jahr ist es in der Region erneut zu Kämpfen gekommen. Auch in der Region Amhara kommt es bereits seit 2023 zu Kämpfen zwischen Milizen und der äthiopischen Armee.

Pauschale Vorwürfe

Die Medienaufsicht wirft den Korrespondenten pauschal vor, “gegen äthiopische Gesetze” verstoßen zu haben. Bereits im Oktober hatte sie der Deutschen Welle den Verstoß gegen die Pressegesetze des Landes vorgeworfen, aber keine konkreten Vorwürfe aufgezählt. Die Deutsche Welle betonte, auch nach mehreren Nachfragen habe die Behörde keine konkreten Beschwerden gegen die Berichterstattung vorgebracht.

Chefredakteurin Manuela Kasper-Claridge kritisierte: “Es ist nicht akzeptabel, dass unsere beiden Korrespondenten ihre Arbeit einstellen müssen, ohne dass ihnen irgendein konkreter Grund dafür genannt wird.”

Vorwürfe gegen Bonner Redaktion

Die äthiopische Medienaufsicht erhebt unterdessen auch Vorwürfe gegen die Redaktion des amharischsprachigen Programms in Bonn. Sie soll angeblich “irreführende Informationen” verbreitet haben, die unter anderem “zu Unruhen” führen könnten. Die Deutsche Welle betonte jedoch, auch für diese Vorwürfe habe die Behörde keinerlei Belege angeführt. Der Sender halte keinen der Vorwürfe für berechtigt. Sollte die Medienaufsicht konkrete Beispiele benennen können, würden diese selbstverständlich geprüft.

Die Deutsche Welle ist der Auslandssender der Bundesrepublik Deutschland und berichtet in 32 Sprachen. Sie soll das “Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker fördern” und etwa durch Berichterstattung aus Krisenregionen den Zugang zu unabhängigen Informationen gewährleisten.

Nachdem alle Korrespondenten des Senders im Oktober ihre Arbeit vorübergehend eingestellt hatten, hatte die Redaktion in Bonn das Programm in der Landessprache Amharisch fortgeführt.

Chefredakteurin Kasper-Claridge sagte: “Unser amharischsprachiges Programm wird von mehreren Millionen Äthiopierinnen und Äthiopiern genutzt. Sie vertrauen darauf, dass wir ihnen fundierte Berichte aus allen Regionen des Landes liefern. Zudem verwahren wir uns entschieden gegen die pauschalen Vorwürfe der äthiopischen Medienaufsicht gegen unsere Mitarbeiter. Wir stehen voll hinter unseren Korrespondenten und hinter unserer Redaktion.”

Der Sender will nun rechtliche Schritte gegen die Suspendierung prüfen.

Eingeschränkte Pressefreiheit

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) sieht in dem Fall das jüngste Beispiel für das Vorgehen gegen freie Medien in Äthiopien. HRW erklärte am Montag, die Suspendierungen verdeutlichten die Feindseligkeit der Regierung gegenüber kritischer Berichterstattung. Bereits seit Jahren würden äthiopische Medienschaffende von einem Klima der Angst berichten. Sie würden von Behörden bedroht, festgenommen und inhaftiert, weil sie Menschenrechtsverletzungen aufdecken oder die Regierung kritisieren würden. Viele Journalisten seien aufgrund der Situation ins Exil gegangen.

Nach Angaben der Organisation hat die äthiopische Polizei in den vergangenen fünf Monaten mindestens sechs Medienschaffende verhaftet. Sie würden teils ohne Kontakt zur Außenwelt oder ohne Anklage festgehalten. Bereits im Oktober hatte HRW kritisiert, die Polizei erhebe häufig vage Anschuldigungen gegen Journalistinnen und Journalisten, die sich auf zu weit gefasste Definitionen von Hassrede und Falschinformationen stützen würden. Auch gebe es Terrorismusvorwürfe aufgrund von journalistischer Berichterstattung.

Im April wurde zudem das äthiopische Mediengesetz geändert. Dadurch werden unter anderem Zuständigkeiten innerhalb der Medienaufsichtsbehörde vom Vorstand auf den Generaldirektor verlagert, der vom Premierminister ausgewählt wird. Auch ein früher gültiges Verbot einer Parteimitgliedschaft der Vorstandsmitglieder wurde aufgehoben. HRW kritisiert, die Regierung habe damit ihre Kontrolle über die Medienaufsicht verstärkt.

Abschreckende Wirkung

Die Organisation erwartet, dass der aktuelle Fall eine abschreckende Wirkung auf andere Medienschaffende haben wird. Angesichts anhaltender Konflikte im Land sowie Spannungen mit dem Nachbarland Eritrea und den für Juni 2026 geplanten Wahlen sei der Bedarf an kritischer und unabhängiger Berichterstattung aber größer denn je. HRW fordert die Regierung auf, die Suspendierung der Deutsche-Welle-Korrespondenten aufzuheben und “weitere Angriffe auf Medien” zu beenden.

Auch Reporter ohne Grenzen (RSF) forderte, das “Berufsverbot” der Korrespondenten müsse sofort aufgehoben werden.

Die Deutsche Welle beklagt ebenfalls, bereits seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs in der Region Tigray im Jahr 2020 habe sich die Lage der Pressefreiheit in Äthiopien deutlich verschlechtert. Laut RSF wurden während des Krieges zahlreiche Reporter verhaftet, deren Berichterstattung nicht auf Regierungslinie lag. Auch nach Ausbruch des Konfliktes in der Region Amhara seien Medienschaffende verhaftet worden, die darüber berichtet hatten.

Äthiopische Behörden hatten auch der Deutschen Welle bereits in der Vergangenheit Falschmeldungen vorgeworfen – insbesondere nach den Parlamentswahlen im Jahr 2005. Damals war es zu Unruhen mit mindestens 46 Toten gekommen, nachdem die Regierung die Stimmauszählung gestoppt und sich zum Sieger erklärt hatte. Nach Angaben der Deutschen Welle erbrachte eine anschließende Untersuchungskommission zu den Vorwürfen jedoch keine Beweise für Falschmeldungen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von RSF belegt Äthiopien Rang 145 von 180 Ländern. (js)